Dem Gehirn beim Out-of-the-Box denken helfen

Ihr habt bestimmt alle schon mal den Satz gehört: THINK OUT OF THE BOX. Wer das sagt, möchte eigentlich, dass ihr eine kreative Leistung erbringt: dass ihr originelle Ideen habt, Ideen, die nicht jede*r sofort hätte und die man nicht an jeder Ecke sieht.

Und klar, ihr seid ja auch sehr gern bereit, kreativ zu sein! Forschung zeigt, höhere Originalität erhöht die Zahlungsbereitschaft von Kund*innen für ein imaginäres Produkt.

Aber ihr merkt schnell: Out of the Box zu denken, fällt uns sehr schwer. Das Gehirn kann nämlich nicht einfach so out of the Box denken, weil es nicht weiß, WOHIN es denken soll. Wohin sollen denn die Gedanken sich ausbreiten?

Um zu guten Ideen zu kommen, müssen wir verstehen, wie Wissen in unserem Gehirn „gespeichert“ ist

Wenn ich zum Beispiel zu Euch sage: „Denk mal an Krankenhaus!“
Dann geht bei euch eine sogenannte Aktivierungsausbreitung los von Krankenhaus über Ärzt*innen, Pflegekräfte, Krankenbett, Corona-Virus, Atemmaske.
Von 1975 ist das Modell der Aktivierungsausbreitung / Spreading Activation von Collins & Loftus. Diese Theorie besagt: Konzepte, die semantisch stark miteinander verbunden sind, werden nach und nach aktiviert. Die Aktivierung dieser Konzepte geht also von dem ersten Prime zum am stärksten verbundenen Konzept. Und von dort immer weiter zum nächsten am stärksten mit dem aktuellen Konzept verbundenen nächsten Konzept.

Diese Theorie zeigt auch, warum wir alle zu den selben, wenig originellen Ideen kommen, wenn wir einfach nur „Brainstorming“ machen.

Feuerwehr: Held*innen, Blaulicht, Sirenen, Rot, Wasserschlauch, Schutzkleidung, Helm
Gemüse: Paprika, Kohl, Blumenkohl, Aubergine, Brokkoli etc. 

Dass sich die Aktivierung von Gemüse über Tomate und Gurke zu Paprika ausbreitet, ist sehr wahrscheinlich. Dass ihr aber nach „Gemüse“ auch an „Feuerwehr“ oder „Blaulicht“ denkt, ist unwahrscheinlich.

Aber wenn man das tut – wenn man von Gemüse zu Blaulicht denkt, dann hat man einen semantisch-kognitiven Sprung gemacht (oder auch mental leap).

Semantisch-kognitiver Sprung

Hier liegt das Geheimnis des „Out-of-the-Box“-Denkens. Statt also immer von der Ideenaufgabe oder dem Problem direkt zur Lösung zu denken, müsst ihr zuerst an etwas ganz Anderes denken: einen semantisch-kognitiven Sprung machen. Und dann erst die Ideenaufgabe lösen.

Welche Kreativitätstechniken also nutzen?

Drei Techniken hab ich in meiner Dissertation quasi-experimentell erforscht und mit Brainstorming verglichen:

  1. Analogie-Technik
  2. Mr. X-Technik
  3. Kopfstand-Technik

Ergebnis: Menschen, die mit den drei Techniken Ideenfindung gemacht haben, hatten Ideen von signifikant höherer Originalität bei gleichbleibender Umsetzbarkeit.

Analogie-Technik (Schritt für Schritt)

  1. Alle Attribute / Merkmale der Ideenaufgabe / des Problems listen
  2. Ein Attribut / Merkmal wählen und aus einem ganz anderen Bereich eine Analogie für dieses Merkmal finden
  3. Problem / Aufgabenstellung aus der Sicht dieser Analogie lösen (real lösen: Wie löst die Analogie unser Problem? oder imaginär: Wie würde sie unser Problem lösen?)
  4. Die gefundenen Lösungen auf unser eigentliches Problem anwenden.

Beispiel: Bürogebäude werden im Sommer extrem heiß. 🥵

Was wird im Sommer noch extrem heiß? Ein Termitenhügel z.B. (Biomimetische Analogie). Wie kühlen Termitenhügel ihren Bau im Sommer? Indem in den schmalen äußeren Lüftungsgängen heiße Luft nach oben steigt und aus dem kühlen inneren großen Lüftungsgang kühle Luft durch den Hügel „saugt“ – nachzulesen hier:

Mr. X-Technik

  1. Such dir irgendeine*n Comic-Held*in / eine*n Star / eine*n Politiker*in aus, die dein Mr. X*Mrs. Y sein kann
  2. Löse das Problem / die Ideenaufgabe aus Sicht der Mr. X-Persona oder für die Mr. X-Persona
  3. Wie würde Superman das Problem lösen? Wie müsste ein Coworking-Space aussehen, indem Artur Conan Doyle seine Novellen schreiben würde?

Kopfstand-Technik

  1. Liste alle Besonderheiten des Problems
  2. Kehre alle Besonderheiten um. Mach es noch schlimmer!
  3. Kehre deine Umkehrungen um, sodass sinnvolle Lösungen entstehen

Zum Beispiel: Stell dir vor du bist ein Ehemann, der schon 20 Jahre mit seiner Frau verheiratet ist. Sie hat Geburtstag. Du willst ihr etwas richtig Originelles schenken. Etwas, das nicht jede Frau geschenkt bekommt. Auf keinen Fall die fünfte Uhr oder den dritten Ring. Nutz die Kopfstand-Technik: Statt dich zu fragen, was sie schön finden würde, frag dich: WORÜBER WÜRDE SIE SICH ÄRGERN? Sie würde sich ärgern über: Karten für die Fußball Bundesliga, oder wenn du sie mit zu deiner Poker-Runde mit Freunden nimmst. Und nun drehe diese Dinge um: die Poker-Runde nicht mit deinen Freunden sondern mit Ihren Freundinnen bei Euch zu Hause – und du kochst für die Damen, machst ihnen einen schönen Abend. Darüber würde sie sich freuen! Und so eine Women’s Poker Night hat mit Sicherheit noch niemand geschenkt bekommen, den sie kennt.

Gratulation! Du hast soeben gelernt, wie man dem Gehirn beim „Out-of-the-Box“-Denken helfen kann!

Glückwunsch, jetzt habt ihr „out-of-the-box“ gedacht
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Wer sich damit weitergehend beschäftigen möchte: gern hier im Video