Zum Teufel mit Brainstorming!
Alle Kreativen denken jetzt: MOMENT!!!!! Denn Brainstorming ist nach wie vor die meist genutzte Gruppen-Ideenfindungstechnik (Jaco, Buisine, Barré, Aoussat & Vernier, 2013). Kreative Menschen fragen sich also nun: Warum zum Teufel damit?
Um das zu beantworten, hört folgende Geschichte:
Vor 12 Jahren durfte Julia zum ersten Mal einen Ideenworkshop co-moderieren – irgendwo in der Nähe von Stuttgart in einem pyramidenförmigen Hotel hatten sich viele internationale Fach- und Führungskräfte eines Großkonzerns deutscher Herkunft versammelt, um ihre Zukunftsstrategie zu finden. Julia war damals mitten im Bachelor-Studium, ihre Englischkenntnisse aber durch das einjährige USA-Studium ausreichend, um zu den wenigen Auserwählten zu gehören, die im Auftrag des Unternehmens Zephram mit unbändiger Lust, in der realen Welt Wertschöpfung zu begleiten, hier co-moderieren durften.
Damals schon sprach Graham Horton – Professor an der Fakultät für Informatik der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg – davon, dass nicht der direkte Weg von der Ideenaufgabe zur Idee zu beschreiten sei. Stattdessen solle man einen Perspektivwechsel machen. Auf Umwegen zur Idee – um solche Ideen zu kreieren, die außergewöhnlich und überraschend sind.
Aber Brainstorming – dieser Gauner – macht keine Umwege. Im Brainstorming erzeugen die Teilnehmer_innen direkt aus der Ideenaufgabe stimulierte Ideen und – wenn in Urform von Alex F. Osborn (1953) angewendet – sprechen ihre Ideen laut aus.
Warum ist Brainstorming schlecht?
Dies Frage kann man nur wissenschaftlich beantworten, also ging Julia auf Reisen. Weil Brainstorming ein Gruppenprozess zur Ideenproduktion ist, zog es Julia 2014 an die Georg-August-Universität nach Göttingen, genauer gesagt in das Georg-Elias-Müller-Institut für Psychologie. Denn hier fand sie in Prof. Dr. Margarete Boos eine angesehene und aufgeschlossene Wissenschaftlerin, welche sich mit Gruppenprozessen und Gruppenkommunikation beschäftigt. In der Sozialpsychologie geht man der Frage nach der Effektivität von Brainstorming als Ideenfindungsmethode nämlich schon seit über 60 Jahren nach. Wichtigste Erkenntnis aus 60 Jahren psychologischer Forschung zu Brainstorming:
„Brainstorming als Methode ist total ineffektiv.“ (Tayler, Berry & Block, 1958)
Individuen – also Menschen für sich und allein – generieren mehr Ideen und Ideen von höherer Qualität als Brainstorming-Gruppen (z.B. Fern, 1982). Brainstorming-Gruppen performen schlechter als dieselbe Anzahl Menschen für sich allein (sogenannte nominal groups) (e.g. Stroebe, Nijstad & Rietschel, 2010; Paulus & Yang, 2000)
Die Illusion der Gruppenproduktivität
- Production Blocking (z.B. Sutton & Hargadon, 1996)
- Social Loafing
- Free Riding
- Evaluation Apprehension (Herrmann & Felfe, 2014; Shih, 2011; Nijstad & Stroebe, 2006; u.a.)
Aber Teilnehmer_innen von Brainstorming glauben, dass sie besser Ideen genieren, wenn sie in Gruppen Brainstorming machen (Paulus et al., 1993). Und sie glauben, dass sie selbst einen großen Anteil am Output des Gruppen-Brainstormings haben. Überproportional hoch (Paulus et al., 1993). Das nennt man die Illusion der Gruppenproduktivität (the illusion of group productivity – Nijstad et al., 2006).
Versucht es mit Variante 2
Wenn Menschen glauben, dass Gruppen-Brainstorming gut ist, was tun?
- missionieren, ans Licht zerren und von der Wahrheit überzeugen (wie in Platons Höhlengleichnis?), oder
- neue Techniken verwenden, um den Output von Gruppen-Brainstorming zu verbessern?
Variante 1) haben Psychologinnen und Psychologen 60 Jahre lang vergeblich versucht. Versuchen wir also Variante 2): neue Techniken in die Ideengenerierungsphase von Design Thinking einbauen.