Der fehlende nullte Schritt in der GFK

Vorgestern war ich beim Rotary-Club Kassel-Hofgeismar zu Gast.

Im Gepäck hatte ich einen Vortrag zum Thema „Mehr Ehrlichkeit wagen – Kulturwandel durch Teambildung“.
Die Quintessenz meines Vortrags: wir können viel bewegen, wenn wir die Teams entwickeln und zu besseres Zusammenarbeit und höherem Vertrauen begleiten. Ein essentieller Schritt darin ist die Konfliktlösung und Lösung von Spannungen im interpersonellen Raum. Hier arbeite ich mit der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg. Sie besteht aus vier Schritten:

  1. Beobachtung: Beschreibe, was eine Überwachungskamera aufzeichnen würde
  2. Gefühl: welche Primäremotionen hast du gefühlt in dem Moment, in dem der Konflikt entstand?
  3. Bedürfnis: welches deiner Bedürfnisse blieb unerfüllt durch die Situation?
  4. Bitte: was ist dein Wunsch an dein Gegenüber?

Durch meine langjährige Praxis in der Organisationsentwicklung weiß ich aber mittlerweile, dass ein entscheidender Schritt alles blockieren kann. Er hat mit dem blinden Fleck zu tun, dem Schatten nach C. G. Jung – dem unbewussten Teil unserer selbst, den wir nicht kennen, nicht sehen, aber andere sehr wohl spüren können.
Deshalb braucht es den nullten Schritt: Selbstkenntnis

Warum habe ich diese oder jene Gefühle überhaupt? Welche Intention steckt eigentlich hinter meiner Frustration? Welche Wunde versuche ich dadurch, zu überdecken?

Ich kann nur für mich sprechen: Leistung bringen ist mein Motivator. Alles, was mich bremst, oder stört in meiner Leistungserbringung, frustriert mich. Diese Frustration kann ich gut beschreiben: ich fühle mich genervt, aggressiv, wütend und ungeduldig, weil mein Bedürfnis nach Anerkennung und Leistungserbringung frustriert wurde. Ich würde mir wünschen, dass du mir in der Zukunft nicht im Wege stehst.

Aber die alles entscheidende Frage ist die nach der Intention – dem Warum?

Gehen wir doch mal dem Warum etwas näher auf den Grund. Folgt mir gern in die Tiefen meines Schattens:

  1. Warum musst du denn überhaupt Leistung bringen?
    • Antwort: Um Anerkennung zu bekommen.
  2. Warum musst du Anerkennung bekommen?
    • Antwort: Weil ich nicht genug aus mir selbst anerkannt bin.
  3. Warum bist du nicht aus dir selbst anerkannt?
    • Antwort: Weil ich nie das Gefühl von Geborgenheit und Angenommensein durch meine Eltern bekommen hab
  4. Warum hab ich dieses Angenommensein nicht erlebt?
    • Antwort: Weil mein Vater fast nur arbeiten und meine Mutter emotional abwesend war.
  5. Warum waren sie abwesend?
    • Antwort: Weil meine Mutter überfordert, einsam und krank war.
  6. Warum war sie überfordert?
    • Antwort: Weil sie jung war, kein Netzwerk hatte und sich von ihrer eigenen Mutter nicht lösen konnte
  7. Warum konnte sie sich nicht lösen?
    • Antwort: Weil meine Oma meine Mutter traumatisiert hatte, Fleiß war das Gegenmittel.
  8. Warum hat meine Oma meine Mutter traumatisiert?
    • Antwort: Weil sie selbst eine schreckliche Kindheit hatte und viel durchlitten hat.
  9. Warum hat meine Oma viel durchlitten als Kind?
    • Antwort: Krieg in Deutschland, Hunger, unerwünschtes Nachzüglerkind

Vielleicht erkennt ihr hier auch die 9 Whys-Methodik aus den Liberating Structures?

Wenn ihr diese Methodik anwendet, um euch ein bisschen besser zu verstehen, dann seid ihr einen großen Schritt weitergekommen in der Selbstkenntnis. Wer sich selbst kennt, kann kommunizieren, was sie*er braucht. Wer sich selbst kennt, kann in Beziehung zu anderen gehen.

Viel Spaß beim Ausprobieren!

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